Montag, 25. August 2008

The Boy with the Weight of the World on his Shoulders

Als Junge hatte ich einen ausgewachsenen Jesuskomplex.
Das lag zum einen an der sehr katholischen Erziehung meiner Mutter und einer ausgeprägten Erwartungshaltung ihrerseits und meinerseits an mein Schicksal. Und an der barocken Kirche im Heimatdorf, wo ich selbstverständlich auch Meßdiener war.
Wenn es nach meiner Mom gegangen wäre, hätte ich Priester oder Bischof (oder Papst) werden sollen, geschafft hat sie es aber immerhin, daß ich unverheiratet geblieben bin. Und anders als alle anderen war ich sowieso.

Alle Indizien unterstützten den Verdacht, oder besser die Erwartung, daß es mit mir etwas ganz Besonderes auf sich haben würde: über dem Altarportal prangte ein Lamm mit Banner, das meine Initialen trug: JHS.
Dazu kam noch die dralle barocke Muttergottes, die auf einem Sockel an der Wand ein ebenso dralles Jesuskind im Arm hielt, während sie mit dem Fuß eine dicke fette Schlange zertrat. (Was nun wieder ein Verweis auf meinen Namenspatron war.) Mit ihren tiefblauen Augen schaute sie mich mild, aber unverwandt und seelenvoll an, um mir ein Versprechen, eine Hingabe abzuverlangen, eine Verantwortung aufzuerlegen, und zwar egal, wo ich jeweils in den Holzbänken saß, sie meinte mich.

Man sollte Kinder schon darüber aufklären, daß auch Statuen Wanderaugen haben können, die einen überall vermeintlich fixieren.

Außerdem war es damals die Zeit, als Nostradamus in allen Frauenzeitschriften zitiert wurde, der prophezeite, daß im Jahr 2000 die Welt untergehen würde - das machte alles klar und rund. denn im Jahr 2000 würde ich 33 sein, genau wie Jesus am Kreuz, zusammen mit den obigen Indizien war der Fall ganz klar. Ich trug ziemlich schwer an dieser Erkenntnis, teilte sie aber nur mit der Madonna in der Kirche.

Ich weiß nicht mehr, wie sich das auflöste über die Jahre, aber mittlerweile denke ich nicht mehr, daß ich der neue Jesus bin (zu alt, zu wenig Bartwuchs, lange Haare, Sandalen und Wundmale in der Seite stehen mir nicht). Aber manchmal, manchmal fühle ich die Verantwortung und den Auftrag schwer auf meinen Schultern. Und dann muß ich mich ganz heftig schütteln.
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