Öde Orte: Kyllburg
Kyllburg in der Eifel ist wohl das Grey Gardens unter den Kleinstädten.
Eine Grandezza großer Vergangenheit als Luftkurort liegt in der Luft und stört sich kein wenig daran, daß das Kurhotel, einst ein prachtvoller Bau mit französischem Garten und Springbrunnen, nun schon seit etwa 30 Jahren in der Ortsmitte dahinrottet wie Wrack der Lusitania und damit den Ton vorgibt für das restliche komplett verwahrloste Ensemble.
Im wesentlichen besteht Kyllburg aus einem sehr tiefen Tal, von der namensgebenden Kyll auf ihrem Weg zur Mosel gegraben, mit Mühle, Sandsteinbahnhof und einer Pizzeria zwischen zwei Brücken, von denen die eine für den Verkehr gesperrt und im Sommer zur Pizzaterrasse umfunktioniert ist.
Den anderen Teil machen zwei sehr steile Berge aus, auf dem einen eine nach dem Krieg wiederaufgebaute Kirche und eine (offensichtlich wirkunslose) Marienstatue (die vor dem Krieg zerstörte Synagoge wurde selbstverständlich, vielleicht schon in weiser Voraussicht auf den baldigen Wiederzerfall des Städtchens) gar nicht erst wieder aufgebaut.
Den anderen Berg krönt die namensgebende Stiftskirche nebst der Volkshochschule, die früher ein Nonnenspital war, in dem ich geboren bin. (Meine jüngst verstorbene, in emotionalen Situationen schnell überforderte Patentante hatte seinerzeit ob der freudigen Nachricht meiner Geburt vor Schreck alle Alpenveilchen auf ihrer Fensterbank gepflückt, um mich damit eben dort auf der Welt willkommen zu heißen, und damit sicher schon die ein oder andere Weiche für mich gestellt.)
Ein jüngst eröffneter Biergarten im Hof versucht vergeblich, die Menschenleere zu beleben, auch die Hinweisschilder auf eine nicht näher benannte Ausstellung in der Kirche verführen angesichts der drückenden Atmosphäre nicht zu Unternehmungslust.
Einziger Lebenspunkt auf diesem Berg ist die Gärtnerei-Pension Rütt, deren jovialer Eigentümer alles über jeden weiß, und dies gerne teilt - ein Besuch dauert mindestens eine Stunde, unabängig davon, ob man von den welken Blumen kauft oder nicht.
Das sogenannte Zentrum, eine verkehrs- und auch sonst beruhigte (ich vermute Lithium) Zone auf halber Höhe, beherbergt 3 Arztpraxen, eine Apotheke und eine Sparkasse, was beige angeschlagene Senioren eben so brauchen.
Früher, in den goldenen Zeiten als stolzer Luftkurort, konnte Kyllburg neben dem Kurhotel zwei grandiose Konditoreien aufweisen (eine davon hieß Deckert), drei Haushaltswarengeschäfte mit großer Auswahl auch an edlem Porzellan, ein Schreibwarengeschäft Atzorn, einen Juwelier Mares, ein Andenken-, Uhren- und Schmuckgeschäft namens Quirin, drei Blumenläden, eine Fahrschule Barth, sogar ein Kino, mehrere Kneipen, Bars und Restaurants voller Leben.
Heute steht all dies leer, ist teilweise zugenagelt, die ehemalige Grundschule mit Burgrest ist ein Asylbewerberheim, an der neuen Schule dagegen wurde soeben die Hauptschule geschlossen, nur die Grundschule atmet noch ungewisse Zukunft, in der einen Konditorei gibt es jetzt Döner, die andere steht leer, und wenn der alte, über 90jährige Herr Quirin einen guten Tag hat, schließt er seinen Laden auf, und man kann Reste aus dem seit den 80er Jahren nicht mehr aufgefrischten oder nachbestellten Sortiment erwerben, Hüte oder Original 60er Armbanduhren für den Herren oder die Dame oder Ansichtskarten, die das Kurhotel und den Ort in voller Blüte zeigen, aus den 70ern.
Nähme man einen großen Bagger und kippte man die beiden Berge ins tiefe Kylltal, der Welt würde nichts fehlen.
(Als inoffizieller Beitrag zur Buchreihe "Öde Orte", deren äußerst lesenwerter Beitrag "Bitburg" ich dringend empfehle. Bitburg ist die nächstübergeordnete Stadt zu Kyllburg)
Eine Grandezza großer Vergangenheit als Luftkurort liegt in der Luft und stört sich kein wenig daran, daß das Kurhotel, einst ein prachtvoller Bau mit französischem Garten und Springbrunnen, nun schon seit etwa 30 Jahren in der Ortsmitte dahinrottet wie Wrack der Lusitania und damit den Ton vorgibt für das restliche komplett verwahrloste Ensemble.
Im wesentlichen besteht Kyllburg aus einem sehr tiefen Tal, von der namensgebenden Kyll auf ihrem Weg zur Mosel gegraben, mit Mühle, Sandsteinbahnhof und einer Pizzeria zwischen zwei Brücken, von denen die eine für den Verkehr gesperrt und im Sommer zur Pizzaterrasse umfunktioniert ist.
Den anderen Teil machen zwei sehr steile Berge aus, auf dem einen eine nach dem Krieg wiederaufgebaute Kirche und eine (offensichtlich wirkunslose) Marienstatue (die vor dem Krieg zerstörte Synagoge wurde selbstverständlich, vielleicht schon in weiser Voraussicht auf den baldigen Wiederzerfall des Städtchens) gar nicht erst wieder aufgebaut.
Den anderen Berg krönt die namensgebende Stiftskirche nebst der Volkshochschule, die früher ein Nonnenspital war, in dem ich geboren bin. (Meine jüngst verstorbene, in emotionalen Situationen schnell überforderte Patentante hatte seinerzeit ob der freudigen Nachricht meiner Geburt vor Schreck alle Alpenveilchen auf ihrer Fensterbank gepflückt, um mich damit eben dort auf der Welt willkommen zu heißen, und damit sicher schon die ein oder andere Weiche für mich gestellt.)
Ein jüngst eröffneter Biergarten im Hof versucht vergeblich, die Menschenleere zu beleben, auch die Hinweisschilder auf eine nicht näher benannte Ausstellung in der Kirche verführen angesichts der drückenden Atmosphäre nicht zu Unternehmungslust.
Einziger Lebenspunkt auf diesem Berg ist die Gärtnerei-Pension Rütt, deren jovialer Eigentümer alles über jeden weiß, und dies gerne teilt - ein Besuch dauert mindestens eine Stunde, unabängig davon, ob man von den welken Blumen kauft oder nicht.
Das sogenannte Zentrum, eine verkehrs- und auch sonst beruhigte (ich vermute Lithium) Zone auf halber Höhe, beherbergt 3 Arztpraxen, eine Apotheke und eine Sparkasse, was beige angeschlagene Senioren eben so brauchen.
Früher, in den goldenen Zeiten als stolzer Luftkurort, konnte Kyllburg neben dem Kurhotel zwei grandiose Konditoreien aufweisen (eine davon hieß Deckert), drei Haushaltswarengeschäfte mit großer Auswahl auch an edlem Porzellan, ein Schreibwarengeschäft Atzorn, einen Juwelier Mares, ein Andenken-, Uhren- und Schmuckgeschäft namens Quirin, drei Blumenläden, eine Fahrschule Barth, sogar ein Kino, mehrere Kneipen, Bars und Restaurants voller Leben.
Heute steht all dies leer, ist teilweise zugenagelt, die ehemalige Grundschule mit Burgrest ist ein Asylbewerberheim, an der neuen Schule dagegen wurde soeben die Hauptschule geschlossen, nur die Grundschule atmet noch ungewisse Zukunft, in der einen Konditorei gibt es jetzt Döner, die andere steht leer, und wenn der alte, über 90jährige Herr Quirin einen guten Tag hat, schließt er seinen Laden auf, und man kann Reste aus dem seit den 80er Jahren nicht mehr aufgefrischten oder nachbestellten Sortiment erwerben, Hüte oder Original 60er Armbanduhren für den Herren oder die Dame oder Ansichtskarten, die das Kurhotel und den Ort in voller Blüte zeigen, aus den 70ern.
Nähme man einen großen Bagger und kippte man die beiden Berge ins tiefe Kylltal, der Welt würde nichts fehlen.
(Als inoffizieller Beitrag zur Buchreihe "Öde Orte", deren äußerst lesenwerter Beitrag "Bitburg" ich dringend empfehle. Bitburg ist die nächstübergeordnete Stadt zu Kyllburg)
luckystrike - 2010/07/21 21:37