Eurovision und Einwanderer?

Ja, ich gebe es zu, ich habe den ersten Vorentscheid geschaut. Ich schäme mich auch, aber ich muß einfach, es muß in meinen Genen sein, ich brauche das, schlechte Musik und grelle Optik und Länder gegeneinander, wenigstens einmal im Jahr. Andere brauchen ja auch Weihnachten oder Karneval, also!

Soweit so gut, eine herrlich blöde Show mit den üblichen mehr oder weniger billigen und abgehalfterten SängerInnen, Musik, wie man sie nicht mal als Bückware im Ein-Euro-Shop kaufen würde, und Anke Engelke und Judith Rakers haben auch einen guten Job getan, wenn auch in seltsamer Garderobe. Und von dem Typen mit den 158 Zähnen will ich schweigen. Es gab ja immerhin einen halbstündigen Tonausfall in den Kommentatorenkabinen als größere Katastrophe zum Ablenken.

Ein Ritus der Eurovison sind ja immer die ziemlich überflüssigen Einspielfilmchen vor den Liedbeiträgen der Länder. Immer ganz niedlich, und immer ganz egal. Eine süße Idee, Deutschland als ausländerfreundliches Land darzustellen, porträtiert wurden immer ein paar Menschen aus dem Land, welches gleich auftritt, wie sie in Deutschland leben und irgendwas an Sehenswürdigkeiten unternehmen und wie sie dabei ihr Herz schlagen hören, der finnische Cellist bei den Berliner Philharmonikern, ein türkischer Kunsthistoriker im Dresdner Zwinger, zwei aserbeidschanische Frauen bei Straßenmusikern, ein polnisches Pärchen in der Wuppertaler Schwebebahn, 3 georgische Kinder auf einem Spielplatz und... MOMENT!
Müssen die armen Kinder und die beiden aserbeidschaischen Frauen jetzt Angst haben, daß die Ausländerpolizei die Tür eintritt? Müssen sie deportiert werden? Wie kommen sie her, und dürfen sie das? Die Ausländergesetze sind nämlich überhaupt nicht freundlich in diesem unsern Schland, wie wir besipielsweise bei der Deportation unserer lieben ehemaligen georgischen Kollegin Salome vor vier Jahren erfahren haben. Ohne Visum ist nix mit Deutschland, und das gibts nicht einfach so für jeden. Selbst von innerhalb der EU sind Bürger bestimmter Länder hier nicht gern gesehen.

Und so hat mich eine an sich nette Idee unfaßbar wütend gemacht mit ihrer unverschämten Verlogenheit.

Auch peinlich die Gleichschaltung unserer (angeblichen) Kollegen vom Qualitätsjournalismus: Morgenpost, Berliner Zeitung und Süddeutschen bringen ganz nonchalant die identischen Artikel, wenn auch unter verschiedenen Titeln - Gleichschaltung aus Gleichgültigkeit? Was ist so teuer dran, wenigstens einen Praktikanten vor den Fernseher zu setzen, oder wenn es eben nicht interessiert, das Ganze einfach zu ignorieren?
Shhhhh - 2011/05/11 14:41

Der Generation Praktikum gerade entwachsen müsste ich eigentlich Einspruch erheben, aber schön, dass überhaupt noch jemand an die Praktikanten denkt.

luckystrike - 2011/05/11 17:07

Ich wollte auch keinesfalls die Praktikanten oder gleich eine ganze Generation davon beleidigen, sondern den sogenannten Qualitätsjournalismus...
arboretum - 2011/05/11 21:29

Der Text lief über dpa, Driessen leitet meines Wissens das dpa-Büro in Köln. Die Berliner Zeitung hat doch dpa als Quelle angegeben, die Mottenpost halt den Autorennamen. Und bei der Süddeutschen findet sich auch ganz versteckt ein dpa-Kürzel, das möglicherweise vom Leser gedanklich dem Artikel zugeordnet werden soll (es steht unter irgendwelchen Links). Es ist auch gar nicht ungewöhnlich, bei solchen Themen Geschichten von Nachrichtenagenturen ins Blatt zu heben. Man hat halt nicht immer schwule Praktikanten mit einem Faible für den ESC zur Hand. ;-)

luckystrike - 2011/05/11 21:38

Ja, naja, das mag ja sein - aber wozu hats denn unterschiedliche Zeitungen aus unterschiedlichen Verlagen?
(Ich bin vielleicht auch nur naiv?)
arboretum - 2011/05/12 22:38

Damit Sie gleich zwei verschiedene Artikel über den ESC im Tagesspiegel lesen können. ;-)

Guten Appetit zum Song Contest! (TV Kritik) und Schräg lass nach! (über die Kandidaten).
Zitateliebe (Gast) - 2011/05/11 23:13

Wenn das mit dem Journalismus so weitergeht, gleichen die Zeitungen bald den - sich gleichenden - Waschmitteln.

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