temple of love

Samstag, 14. Juni 2008

Und das Wort ward Gestalt

Seine kleinen dunklen Augen blitzen gehetzt im Zimmer umher. Während er spricht, bleibt sein Blick an der ein oder anderen Stelle hängen, er nickt jemandem zu oder lächelt eine kurze Begrüßung in Richtung Fenster.
Angespannt ist er, etwas überfordert, von so viel Besuch, so viele Menschen, die er lange nicht gesehen hat. Nach so vielen Jahren, die er ganz alleine zugebracht hat.

Da ist sie, die Bäuerin, an die ihn seine Mutter als 12Jährigen auf dem Nikolausmarkt als Knecht verdingt hat, für ein ganzes Jahr, gegen einige Münzen und ein Paar Schuhe für den Jungen. Die erste, bei der er nicht wie das ganze Gesinde im Stall schlafen und essen mußte, sondern zum Essen ins Haus durfte. Er war wohl ein wenig verliebt in sie. "Und so gut wie sie war, so schön war sie auch!" "Die Blume vom Nimstal" nennt er sie.

Da ist der Kamerad aus dem Nachbardorf, den er auf dem langen langen Marsch schwer verletzt vom Balkan bis nach Prag gestützt und getragen hat.
Der erste Weltkrieg war verloren, die Losung hieß: "Jeder sehe, wie er heimkömmt. Wer nicht mitkömmt, bleibt liegen. Keiner wird getragen." Ein wochenlanger gnadenloser Fußmarsch, die, die nicht mitkamen, lagen am Wegesrand, mit aufgeblähten Bäuchen, oder schon zusammengefallen, oder schon vertrocknet. Einem Toten hat er die Schuhe genommen und an seine eigenen blutigen Füße angezogen.
Nachts lag er mit seinem Kameraden Löffelchen, gegen die Kälte, und weil sie zusammenhielten, wie er gerne erzählte.

Da ist sein Vater, der am Anfang des letzten Jahrhunderts unter Tage im Ruhrpott arbeitete, der nur einmal im Jahr zu seiner Familie nach Hause kommen konnte, sein Geld ablieferte und ihm ein neues Geschwisterchen machte, zwölf an der Zahl. Für den er einige Jahre in einer Schmugglerbande Tabak und Alkohol schmuggelte, aus Frankreich, aus Luxemburg.

Da ist seine geliebte Frau, seine Anna, jung, rund und drall, mit roten Wangen, die ihm sieben Kinder schenkte, wovon drei Söhne und zwei Töchter überlebten. Die zwei Jahre in Kirchenstreik getreten war, weil der Pfarrer in der Beichte der Meinung war, sie solle noch ein paar Kinder mehr bekommen. Für die er bis ins hohe Alter noch arbeitete, wovon ungezählte Sandsteinmauern in der Umgebung Zeugnis legen. Jeder Maurer hat beim Behauen der Steine seine eigene Handschrift, und seine ist sofort zu erkennen. Seine Anna, die ihn zwanzig Jahre zuvor mit 77 Jahren alleine ließ, als sie starb.

Da ist der deutsche Offizier, der ihn in den letzten Minuten des zweiten Weltkriegs noch wegen Wehrkraftzersetzung standrechtlich erschießen lassen wollte. Die Soldaten wollten sich in seinem Haus verteidigen, das auf einem Hügel liegt. Am Horizont waren schon die Amerikaner im Anmarsch zu erkennen, und die versprengten Reste, die 20 deutschen Soldaten hätten keine Chance, wollte er ihnen erklären und ihnen einen Fluchtweg in den Wald zeigen.
Die Gewehre waren schon auf ihn gerichtet, als ein Flakgeschütz in sein Haus einschlug.

Da ist die alte Nachbarin, hinter deren Röcken er sich versteckt hat, als die Alliierten am Ende des zweiten Weltkrieg die Gefangenen fürs Lager zusammentrieben. Einige Wochen arbeitete er für sie, als alter Mann verkleidet, bis er es nicht mehr aushielt, und vier Nächte lang durch die Gräben auf allen Vieren in sein Heimatdorf zurückrobbte. Er wollte wissen, ob seine Frau und Kinder noch lebten, das letzte was er gesehen hatte, war sein brennendes Haus, als er gefangen genommen wurde.
Als er heimkommt, findet er alle wohlbehalten, das Haus zerstört, und die Soldaten und den Offizier tot, die sich dort verteidigen wollten, auf der Flucht Richtung Wald erschossen.

Das große dunkle kalte Zimmer ist randvoll mit Menschen, Kameraden, Auftraggebern, Familie, Menschen aus fast einem Jahrhundert Leben.
Es ist 1994, und Johann, der 1896 geboren wurde, ist so alt, daß seine schlohweißen Haare im Nacken schon wieder schwarz nachwachsen, so schwarz, wie sie früher einmal waren.

Schon lange ist er sehr schwerhörig, so daß er, wenn er Besuch bekommt, aus Unsicherheit die Unterhaltung gerne selber bestreitet. Stundenlang erzählt er von früher, aus seinem langen Leben.
Ich bin wohl der einzige, der sich die Mühe machte, auch ihm etwas zu erzählen, man muß sehr laut sprechen und vieles wiederholen, aber er ist dankbar dafür. Jedenfalls bin ich der einige seiner Enkel, dessen Namen er sich merkt. Er ist auch der einzige, der mich damals, als Kriegsdienstverweigerung noch eine Schande war, dabei unterstützt.

Als nach 20 Jahren einsamen Lebens seine Tochter in sein Haus einzieht, siedelt sie ihn in den ersten Stock um. Seine Räume, seit fast 50 Jahren unverändert, werden wieder genau so eingerichtet, nur spiegelverkehrt.
Das ist auch die Zeit, in der er nie wieder einsam sein wird, Tag für Tag und Nacht für Nacht besuchen ihn die Menschen seines Lebens, von denen er so oft erzählt hat, sitzen auf Fensterbänken, Stühlen, Ablagen, Bettkanten, stehen in der Tür, reden untereinander oder auf ihn ein, Tote, Lebende, Zwischenwesen.
Mit großen runden Augen versucht er auf sie einzugehen, und vergißt zu unterscheiden, welcher Besuch Phantom ist und welcher nicht.
Eine Woche, nachdem die Außerirdischen nachts die schwere Kommode auf sein Bett geworfen haben, stirbt er, zwanzig Monate vor seinem 100. Geburtstag.

Montag, 5. Mai 2008

Mutter

Was man meiner Mutter nicht vorwerfen kann, ist daß sie ein Messie sei, im Gegenteil, sie hat eher zu viele Sachen weggeworfen als zuwenige.

Was man ihr dagegen wirklich vorwerfen kann, ist daß sie gestorben ist. Als ich den letzten Beitrag am Freitag geschrieben habe, war sie schon tot. Eine Stunde lang.
"Plötzlich und unerwartet", wie man so standardmäßig sagt. Mitten aus dem vollen Leben, ja das kann man auch bei einer fast 81-jährigen sagen.

Ich weiß noch nicht. Wie es mir geht. Ob es mir geht. Die Riten und das Organisieren haben einen Zweck, sie halten die Menschen davon ab, ins Loch zu fallen.

Wenn es möglich ist, im Schlimmsten, das passieren konnte, viel Schönes zu finden, so ist das jetzt so. So viele Menschen, die beitragen, da sind, nah und fern, gute Wünsche, Gedenken, Worte nur, aber Worte, die helfen, es hilft, daß man weiß daß andere an einen denken.
Hier sind auch vele Menschen, immer da, alle schockiert. Meine Mutter hat Menschen gesammelt. Die häufigsten Worte, die ich hier höre, sind: "Wo gehe ich denn jetzt hin?" Für jemand in Not, in Leid, zum Reden, für Spaß.
Es ist schön zu sehen, daß meine Mutter ein knallvolles, buntes, gut aufgehobenes Leben hatte, mittendrin. Ich wußte es ja immer, aber jetzt hilft es, so wie sie ihr Leben um sich gebaut hat. Es trägt, auch uns.

Samstag, 12. April 2008

Meine Schinkendoris

Doris ist ja mein Lieblingsvorname. Doris Day, klar. Doris Kunstmann, die mich interessiert, auch wenn ich nicht weiß warum. (Auch wenn man die beiden wirklich nicht in einem Atemzug nennen sollte.) Ich hab sogar mal versucht, ein Buch von Frau Lessing zu lesen, nur weil die auch Doris mit Vornamen heißt. Tsk.

Hier soll es aber um Schinkendoris gehen, die meine sozusagen älteste Freundin ist. Insofern, als daß ich am ersten Schultag, angetan von ihrem süßen Äußeren, den langen braunen Haaren und den brauen Augen, beim Kampf um die Sitzplätze im Klassenraum den Platz neben ihr ergatterte, worauf sie heftig zu heulen begann, sie wollte natürlich nicht neben einem Jungen sitzen.

Schinkendoris wurde ihr Name, weil sie sich so sehr vor Schinken ekelte. Was zur Folge hatte, daß ich in der großen Pause gar lustige Hetzjagden mit ihr veranstaltete, ich mit meinem Schinkenpausenbrot, sie kreischend vornedran.
Ja, ich war ein wirklch ekelhaftes Kind.

Trotzdem wurden und blieben wir Freunde. Doris sprach immer mit atemloser, hoher, fast marilynesker Stimme, sie war immer schüchtern, empfindlich, zierlich, verletzt, ohne daß man wußte warum. Der Vater schwerer Alkoholiker, die Mutter sehr eindrucksvoll, mit ihrem dunkelschwarzen Beehive und den Kajal, den sie sich seit den 60ern bewahrt hatte.

Später dann, sie hieß dann nur noch Doris (ohne Schinken) hatte sie langjährige Beziehungen, lebte noch im Schulort und wurde so zu einer Art Heimatposten für mich. Bei den Besuchen ein- oder zweimal im Jahr sah man mehr, als sie selber sehen konnte. Sie bekam Schilddrüsenprobleme, später Epilepsie.
Repression macht krank, besonders Eigenrepression, würde ein Therapeut sagen.
Sie wurde ihrem Partner gegenüber unberechenbar, ohne daß der wußte warum.
Wer nie gelernt hat, sich zu streiten, zu seinem eigenen Willen zu stehen und Wünsche durchzusetzen, der kann nicht kämpfen, nicht absehen, wohin man schlagen darf und wie fest.
Nicht schön, wenn man nach einen epileptischen Anfall ein, zwei Tage in der Wohnung liegt, die man alleine bewohnt.

Als die Beziehung gesprengt war, stand sie Anfang 30 da, und hatte nie die Tanzschritte gelernt, die man braucht, wenn man einen Partner sucht. Mit so wenig Selbstbewußstein und einer so gespaltenen Selbstwahrnehmung war es leicht, Opfer diversester fieser und/oder alter Säcke zu werden. Und nein, niemand verdient es, von seinem Partner verprügelt zu werden, egal wofür. Niemals.
Immerhin lernte sie dann bei den Jüngern Oshos ein wenig über die Art und Kraft ihrer Sexualität, was ich zwar zweifelhaft fand, aber was solls, wenn es ihr nur nutzte.

Mittlerweile wohnt sie wieder bei ihren Eltern, hat ihr Lehramtsstudium beendet, Deutsch und Geschichte, ich möchte mir aber nicht vorstellen, wie sie vor eine Klasse tritt. Und wie die sie dann zerfetzt.

Gelegentlich ruft sie mich an, und ich verstehe sie kaum, sie spricht von den Leuten, die behaupten, sie sei eine Schlampe, aber daß sie sich schon rächen werde. Sie spricht von den Intrigen, die den ganzen Landkreis bewegen, und ich kann ihr nicht folgen.

Liebe Doris, heute ist dein Geburtstag, 40 Jahre alt wirst du heute - ich wünsche Dir, daß die zweite Hälfte deines Lebens schöner wird, daß du zu dir findest, einen guten Partner dazu. Glück. Das wünsche ich dir. Du hast es verdient.
Es macht mich sehr traurig, daß man nicht besser aufeinander aufpassen kann, daß man nicht einfach einen Knopf drücken kann, und alles wird gut.

Samstag, 5. April 2008

The Bette Davis Way

HAPPY BIRTHDAY, BETTE!
Meine Lieblingsschauspielerin wäre genau heute 100 Jahre alt geworden!

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Von der groß-, eigentlich glubschäugigen Debütantin bis zur fast hexenhaften Alterserscheinung war es ein langer harter Ritt.
She did it the hard way steht auf ihrem Grabstein.

Und das stimmt. Und das ist es, was sie besonders macht: Da es keine passende Schublade für sie im Hollywood-Olymp gab, schuf sie sich ihre eigene.
Ohne Rücksicht auf Schönheit, Gepflogenheiten, Befindlichkeiten oder gängige passende oder angepaßte Frauenbilder ihrer Zeit schuf sie: Bette Davis.

Die Augen! Schauen Sie sich die Szene in All about Eve an, in der sie erfährt, daß Eve ihre Zweitbesetzung geworden ist. Schauen sie sich im Einzelbildmodus an, wie sie ihre Augen aufreißt und schreit: "Mouse! Never Mouse! If anything: Rat!" Das stellt alle CG-Schlachten von Herr der Ringe in den Schatten.

Das Rauchen! Einfach zu parodieren, viel karikiert. Aber sie ist das Original. Schauen sie sich genau an, wie Bette sich eine Zigarette anzündet, wie sie schaut. Mit Paul Henreid in Now Voyager, die Frühstückszigarette in All about Eve, die Krückenzigarette in Wicked Stepmother.
Arm anwinkeln, und die Zigarette in kreisenden Bewegungen zum Mund führen. Inhalieren, als ob es kein morgen gibt. In einem heftigen Stoß ausatmen.

Die Körperlichkeit: kein Sexsymbol, kein Starlet, kein Bikinimodel. Der Körper eine Waffe, ein gefangenes Raubtier. In den frühen, rückenfreien Filmen: der Körper eine Horizontale, immer bereit wie eine Schlange hervorzuschnellen.
In The Star, in All about Eve, in Whatever happened to Baby Jane: eine Waffe. Niemand würde sich jemals trauen, Bette Davis die Handtasche zu klauen.
When she's mad, she's all over the place. Nobodys better than Bette when she's bad, ein Filmslogan.

Die Stimme: Der Legende nach war ihre Stimme zu hoch und zu dünn für ihren Beruf, also fing sie zu rauchen an und trank Whiskey. Das glaube ich zwar nicht, aber es gefällt mir. Ich mag meine verrauchte Stimme.
Gut, das mit dem Singen ist nur etwas für Hardcore-Bette-Fans. Aber dann kann es sehr anrührend sein.

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Nachdem sie in den 30ern und 40ern eine der erfolgeichsten und ikonischsten Leading Ladys war, traf sie das Middle Age sehr heftig, persönlich und auch karrieretechnisch.
Man schrieb zu Dead Ringer: Bette Davis looks like a gunnysack of galoshes (wie ein Sack voll Gummistiefel).
Hat man jemals so etwas über John Wayne geschrieben, nur weil er älter und dicker wurde? Hätte man jemals?

Im Alter eröffnete sie nicht nur für sich selbst, sondern für alle alternden Schauspielerinnen ein neues Genre: Horrorqueen. Whatever happened to Baby Jane ist einer der Pioniere des Genres, gefolgt von Hush Hush Sweet Charlotte.
Einer Kultur, die für alternde Frauen nur die Rolle der Mutter oder Großmutter bietet, hielt Bette Davis das groteske Spiegelbild entgegen, das für Frauen übrig blieb, wenn sie sich dem nicht beugen wollten, eine eigene Persönlichkeit und eigene Vorstellungen haben, Verletzungen und enttäuschte Sehnsüchte und Träume nicht hinterm Herd verstecken wollen: das Monster, die Irre, die Mörderin, die Hexe.
Das erzählt mehr über die Gesellschaft der 60er und 70er als über Bette. Aber sie ist die Ikone dessen geworden und war sich dafür nicht zu schade.

Zum Weinen ihr letzter Film, Wicked Stepmother, aus dem sie mitten in den Dreharbeiten ausstieg, weil es so ein Schrott war. Der Film wurde dennoch fertiggestellt, die wenigen Szenen von Bette eingebaut. Nach einem Schlaganfall noch weitgehend bewegungsunfähig, mit grausiger roter Perücke, abgemagert bis auf die Knochen, läßt sie immer noch knarzend ihre Oneliner los, während sie sich mit der einen Hand an Möbeln und mit der anderen an einer Zigarette festhält.
Das ist traurig, das ist unwürdig. Aber, wenn Bette trotz ihres Zustands drehen will, dann tat sie es. Es hat sie noch nie sehr gekümmert, was die Menschen von ihr sehen wollten. Sie hat immer ihren eigenen Begriff von Würde verfolgt.

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Als Margo Channing in All about Eve:
"Margo Channing was not a bitch. She was an actress who was getting older and was not too happy about it. And why should she? Anyone who says that life begins at forty is full of it. As people get older their bodies begin to decay. They get sick. They forget things. What's good about that?"

Bette Davis, we love you!
Because you're bitter, because it's your heart, because you're wild because you're (head)strong - we love you.

Eine wunderschöne Würdigung findet sich auch hier bei Sunset Gun

Warum machen Sie sich nicht einfach einen schönen Sonntagabend bei Youtube mit Miss Bette Davis!?

Dienstag, 18. März 2008

30 Years of Wuthering

Glammie feiert hier gebührend den 30. Geburtstags von Kate Bushs 'The Kick Inside', hat mir aber die Würdigung der ersten Single 'Wuthering Heights', übertragen. Owei!

Februar 1978, ich bin 10 Jahre alt, durfte ich eine der ersten Sendungen von Bios Bahnhof sehen.
Bio präsentiert eine neue Sängerin, die noch keiner jemals gesehen hat. Die zarte Gestalt im roten Kleid mit den wilden langen Haaren, den weit geöffneten Augen, den unglaublich hohen Pumps und den geschmeidigen, wogenden, wallenden Bewegungen und der unglaublich hohen Stimme irritiert mit ihrer Intensität das zu jener Zeit übliche steinerne Studiopublikum, sie schauen auf den Boden, flüstern verstört mt dem Sitznachbarn.
Sie singt 'Kite' und 'Wuthering Heights'
Schon die ersten Pianoklänge von 'Wuthering Heights' entführen in sphärische Höhen, gefolgt von der fast unerträglich hohen, fast schrillen Stimme: "Out on the wily windy moors, We'd fall and roll in green" Nicht, daß ich das damals verstanden hätte, man braucht es auch nicht zu verstehen. Kate singt, tanzt, entäußert sich, und man hört und spürt den Wind, die rauhen Hügel, die Einsamkeit, die Sehnsucht, die Leidenschaft, in dem Lied.
Ein ganzer Roman in 3 Minuten erzählt, einer, den ich erst viel später lesen werde (wie Kate selber übrigens auch)

Ihre Plattenfirma wollte ein konventionelleres Lied für hre erste Single, doch Kate bestand darauf, mit 'Wuthering Heights' zu debutieren. Heute kann man sich das kaum vorstellen, aber damals waren solche Töne in einem rocklastigen Großbritannien noch nie gehört, und viele Zeitzeugen erinnern sich an das erste Mal, als dieses Lied aus dem Radio klang. Musik wurde damals von Männern geschrieben, und (außer bei Bowie und Queen) als Set aufgeführt, nicht wie ein Theaterstück inszeniert und emotional performed.
Auch die beiden Promo-Videos, besonders das im weißen Kleid mit dem optischen Echo-Effekt, kündigten der Welt davon, daß hier eine Künstlerin geboren ist wie keine andere. Die unerschrocken mit bisher ungekannter Intensität und Weiblichkeit ihre Kunst ausdrückt.

Das irritiert natürlich viele, es ist einfach, sie zu parodieren, oder einfach nur auf ihre Schenkel zu starren, das exaltierte Mädchen zu belächeln, sie in ihrer naiven Offenheit zu verletzen.
Mit der Zeit wird Kate sich immer weniger entäußern und entblößen, sie wird sich immer mehr hinter ihre Kunst zurückziehen, aber hier werden wir Zeuge der Geburt einer Künstlerin, deren Kunst keine Grenzen kennt, absolut, naiv, kraftvoll, unbefangen und unmittelbar. Poesie pur.

Für mich öffnet sich ein neues Universum. Eine verwandte Seele, nur mit dem Unterschied, daß sie sich ausdrücken kann und sich davor nicht fürchtet. Wie Kate hatte ich, der ich im Grunde genommen als Mädchen aufgewachsen bin, mich vor der Realität in meine Traumwelten aus Büchern und Musik geflüchtet, und hier war jemand, der aus meiner Seele sprach, fast am Rande der Peinlichkeit ausdrückte, was sie fühlte, schamlos im Sinne von 'ohne Scham', unerschrocken, voller Kraft und wunderschön.

Im Sommer wird Kate Bush 50 und ich hoffe, daß sie noch 50 Jahre lang Musik macht, und wenn es nur alle 10 Jahre ein Album gibt.

Donnerstag, 24. Januar 2008

for heath

Well, if you can't fix it, Jack, you gotta stand it.

For how long?

For as long as we can ride it.
There ain't no reins on this one.

Im Memory of Ennis Del Mar

Mittwoch, 23. Januar 2008

la sphinx á quatre-vingt ans: bon anniversaire, belle jeanne!

Jeanne Moreau, vielleicht die beeindruckendste Schauspielerin der Welt, wird heute 80. Bon Anniversaire, belle Jeanne!



Eine Unabhängige, eine Unbeugsame, eine Sphinx, ein Solitär, eine Intelligente, ein Universum für sich, eine Unerschrockene, eine Förderin junger Talente, eine Kämpferin, eine Neugierige, eine Institution, eine Königin, eine Wunderschöne, eine Rätselhafte, eine Professionelle, eine Grande Dame, eine Diva, eine Hure, eine Unverwechselbare, eine Raucherin, eine Schmollende, eine Spöttische, eine Rachsüchtige, eine Liebende, eine Verletzte, eine Ungehemmte, eine Konsequente, eine Verletzliche, eine Sture, eine Unfaßbare, eine Unanfaßbare, eine Spöttische, eine Verbitterte, eine Mutige, Stimme wie Reibeisen, Blick wie Röntgenstrahl, eine wie keine.

Was soll oder kann man schreiben?

Les Amants, Jules et JIm, Fahrstuhl zum Schaffott, La Notte, Querelle, Le Temps qui Reste, La Vieille qui marchait dans la Mer, Mademoiselle, Tagebuch einer Kammerzofe, Die Braut trug schwarz, und so weiter, mehr muß man nicht sagen.

Mittwoch, 14. November 2007

la chanteuse á quatre-vingt ans

Non Monsieur, je n'ai pas vingt ans
Vingt ans, c'est l'âge dur
Ce n'est pas le meilleur des temps
Je sais, je l'ai vécu.


Wer denkt, daß man mit 80 Jahren alt ist, der hätte gestern abend im Admiralspalast da sein sollen, beim Konzert der letzten großen französischen Chanteuse, Juliette Greco.

Juliette Greco, eine Ikone, stilbildend. Schwarz in Kleid und Haar und Lidstrich, intellektueller Gegenpart der meist emotionaleren französischen Sänger und Sängerinnen, jeder hat ein Bild von ihr im Kopf und kennt die Stimme.

Um ehrlich zu sein, bin ich nicht ihr größter Fan und hatte nicht allzu viel erwartet, ein Abschiedsbesuch bei einer erlöschenden Flamme, ein wenig Legendentourismus, Nostalgie am noch lebenden Objekt.

Von wegen! Wer da auf die Bühne trat, war eine kraftvolle, würdevolle, spielbereite und spielwütige Frau auf der Höhe ihrer Kraft und Kunst. Großartig sah sie aus, zeitlos, formidable, alles, aber auf keinen Fall - alt.
Ihre wunderbare tiefe Stimme immer noch absolut voluminös, wenn sie es wollte und brauchte, ansonsten wendig im Ausruck, im Hauchen, Schnurren, Knarzen, Flüstern, Aufstöhnen.

Hervorragend ihre Begleitung, Klavier und Akkordeon, mehr brauchte es nicht. Überhaupt, an diesem Abend wäre jedes Mehr ein Zuviel gewesen, und jedes Weniger ein Zu Wenig, alles auf den Punkt, egal ob Beleuchtung, musikalische Begleitung, Bühnenbild, Auswahl der Chansons.

In über anderthalb Stunden entführte Juliette Greco - ohne Pause - in schätzungsweise 30 Chansons in Ihre Welt, in der die größten Lyriker und Musiker ihr Texte und Melodie auf den Leib schneiderten, oder sie sich andere Chansons gänzlich eigen aneignete.

Jedes Chanson eine Inszenierung, begleitet von großen oder kleinen, erstaunlich anmutigen oder auch dramatischen Gesten, jedes Chanson eine eigene Persona, eine eigene Stimme, mal kleines Mädchen, mal abgeklärte Diva (wunderbar, wie ironisch sie als 80jährige Deshabillez-Moi singt!), mal romantische Schwärmerin, mal Fischweib. Oder auch Mensch im Angesicht des eigenen Todes, als sie mit "J'arrive" dem Programm einen hochdramatischen Schlußpunkt setzt.

Der Saal tobte Ewigkeiten in Standing Ovations, als sie als kleines encore noch "Ne me quitte pas" gab. Kein bettelndes, demütiges, verzweifeltes Chanson hier, sondern eine kurze, knappe selbstbewußte Aufforderung an den Geliebten, seine Optionen zu überdenken.

Mir war aufgefallen, daß Sie den ganzen Abend zwar gestisch und mimisch sehr bewegt, aber immer auf genau demselben Fleck stehengeblieben war, und ich dachte, daß sie dann wohl zumindest nicht mehr so gut zu Fuß sei. Auch hier: von wegen! Als sie auf das Publikum zuging, um sich ihre Rosen und Briefe abzuholen, lüpfte sie die lange schwarze Robe, und es kamen überaus schicke High Heels mit 10-cm-Absätzen hervor!

Ich freue mich auf die Konzerte in den nächsten 10 oder 20 Jahren mit Juliette Greco!

Hier ein wunderbares Interview in der Zeit mit einer hellwachen Juliette Greco.

Dienstag, 6. November 2007

musik musik musik

Ich brrauchä keinä Millionän
mirr fählt kein Pfennig zum Glück
ich braucha nurr
Musik Musik Musik
(Das Marrrika, hüpf stratz gnatz wipp spring)


Ein Stöckchen von Frau Koma: Schlager, die untrennbar mit der Kindheit verbunden sind.

Hmpf, gar nicht einfach, das war kein musischer Haushalt bei uns. Es wurde gearbeitet, und gegessen, was auf den Tisch kommt. Und das war das.

Ich selber fing dann an, nachmittags zu den Hausaufgaben Radio zu hören, das war damals Radio Luxemburg, bevor es zu RTL mutierte, simulierte Freunde und Familienanschluß. Besonders mochte ich Helga Guitton von den Moderatoren. Gespielt wurde Schlager und Pop, ganz andere Sachen als damals im spießig-steifen öffentlich-rechtlichen Rundfunk so üblich.

Oder ich sperrte mich mit den 3x9 Platten (die mit Wim Thoelke und Wum vorne drauf) meiner älteren Schwestern in die nie benutzte oder beheizte Wohnstube ein, was mütterlicherseits mit Argwohn und Unverständnis betrachtet wurde ("Was machst du denn da?") Nein, damals wußte ich noch nicht, was Selbstbefriedigung war.
Da wir nur wenige Platten hatten, mußte man die eben immer wieder hören, und sich immer neue Geschichten dazu ausdenken. Allerdings entdeckte ich dabei Sängerinnen, die (mit Unterbrechungen) bis heute bei mir geblieben sind: Frau Knef empfahl sich mit "Der alte Wolf", der meinem kindlichen Geschmack besser gefiel als "Eins und eins" oder "Für mich solls rote Rosen regnen", auch wenn ich nicht glaube, das ich das damals verstanden habe. Überhaupt, die älteren Damen, schon damals, allen voran Zarah Leander, blind wie ein Maulwurf, die erste Körperfressersonnenbrillenträgerin der Weltgeschichte, im 183. Jahr ihrer Karriere.

Da ich ja eh ein ziemlich widerliches Kind war, mochte ich die Humpta-Humpta-Schlager am liebsten. Die schlimmsten konnte ich auch auswendig, einige gar bis heute: "Da kommt Jose, der Straßenmusikant" von Lena Valaitis (der Welt würdigste Schalkragen- und Lodenträgerin, Mann, war die immer warm angezogen), "Der Puppenspieler vom Mexiko (ist einmal traurig und einmal froh, duh!)" von Roberto Blanco (Quotenspaßneger) und "Es war einmal ein Jäger (halli-hallo, ein Jäger)" von der Leni Riefenstahl des deutschen Schlagers, Katja Ebstein (aber geile Outfits hatte sie meistens an!). Ich mochte es robust und rustikal.
Mary Roos und Tina York taten mir immer ein wenig leid in ihrer natürlichen Häßlichkeit, Dunja Rajter in ihrer Billigkeit, und Vicky Leandros war mir immer ein wenig zu blasiert, und es wurde mir nie klar, was es in Lodz so besonderes geben sollte, daß man da unbedingt hin sollte. Vicky ist es übrigens bis heute auch nicht klar.
Olivia Molina hatte ich in ihrer mexikanischen Dritte-Welt-Haftigkeit in mein Herz geschlossen, und sie tat mir immer sehr leid, daß sie nie bei einem Wettbewerb gewonnen hat, obwohl sie immer tapfer mitmachte in ihren Ponchos.
Daliah Lavi jedoch brachte so etwas wie Weltklasse und Eleganz mit ihren etwas gehobeneren Schlagern, jedenfalls bevor sie anfing, nach "Lieben sie Parties?" grundlos in all ihren Songs herumzukichern.
Und natürlich Alexandra, nie zu vergessen Alexandra, sie war die Größte, denn depressiv war ich damals schon. Nirgends lagen damals Liebes- und Lebensklagen und anonymer Sex mit Unbekannten näher beieinander als bei ihr.

Das alles hatte ein jähes Ende mit dem Erscheinen der ersten Schamhaare, mit dem Entdecken des eigenes Körpers entdeckte ich englische Popmusik. Eigentlich logisch, wer kann sich schon einen runterholen, wenn Katja Ebstein vom Petersburger Pferdemarkt singt, oder Andrea Jürgens uns ihr "Kleines Paradies" zeigen will (ürgs), nachdem sich ihre Eltern geschieden haben?

Jahrzehnte später näherte ich mich dem Ganzen dann wieder an, als ich in jeder freien Minute mit Paula Sau über Flohmärkte und durch Trödelläden kroch, um kiloweise für kleines Geld die alten Vinylglückseligkeiten meiner Kindheit nach dem Motto All You Can Carry zu kaufen.
Da entdeckte ich das alles wieder, und neben dem Humpta Humpta meines Kindheitsgeschmacks, das ich wirklich nicht mehr hören kann, viele echte Perlen, die ich teilweise gar selbst digitalisiert habe, damit ich sie auf meinem Ipöttchen hören kann.
So gesehen, eine Rehabilitation, auch des einsamen kleinen Jungen, der sich damals mit Schlagern in eine andere, buntere Welt flüchtete. Woran sich eigentlich all die Jahre nichts geändert hat.

Dienstag, 9. Oktober 2007

der herbst der alten mädchen

Mir fällt auf, daß viele zum Teil beim eigenen Geschmack der formative years, also denen der Spätpubertät oder der jungen Erwachsenenjahre stehenbleiben, weswegen man z.B. recht viele um die 60jährige Frauen im Supermarkt sieht, deren Frisur noch eine jahrzehntelang perfektionierte Abwandlung eines ehemaligen Beehives ist. Von wegen retro.

Meine formative years verbrachte ich mit Kate Bush, Annie Lennox, Cyndi Lauper und Alison Moyet (neben einigen Wave- und Alternative-Künstlern), halt Pubertät in den 80ern. Damals gekaufte Platten wurden wochenlang gehört, gefühlt und geträumt, das bekommt man so schnell nicht aus dem System.

Wie schön, daß all die alten Mädchen noch an Bord sind, auch wenn es wahrscheinlich noch 15 Jahre dauern wird, bis Kate Bush nochmal eine Platte vorlegt. Wahrscheinlich wird sie dann nicht mehr mit den Vögeln singen, sondern mit den Sträuchern tanzen.

Wie durch kosmische Verabredung (oder ist es als Geschenk zu meinem 40sten?) bringen fast alle anderen diesen Herbst eine neue Platte raus:
Annie Lennox "Songs of Mass Destruction", an die ich mich noch etwas gewöhnen muß. Die Stimme finde ich manchmal fast schmerzhaft, und ein wenig stört mich die Phantasielosigkeit der Arrangements. Auch hoffe ich mittlerweile eine positivere Lebendeinstellung zu haben, als Annie mit ihren Songs meist transportiert.

Nena (die ich damals nicht mochte) hat eine Doppel-CD mit Coverversionen. Wobei ich Coverversionen absolut liebe. Einge davon sind auch wirklich herrlich, wie "Ich werde dich lieben" oder "Sliping Away", aber ich denke, man hätte es auf eine einzelne CD eindampfen können.
Wenn ich noch einmal irgendwen "Blowin in the Wind" covern höre, der muß zur Strafe Bob Dylan entkeimen. Mit der eigenen Zahnbürste. Die er/sie dann selber weiterbenutzen muß. Zur Strafe.

Nächste Woche erscheint dann das neue Album von Alison Moyet, und ich bin durch die Previews auf ihrer MySpace-Seite nicht grade vorfreudig. Aber was solls, Pflicht ist Pflicht. Ihr letztes Album mit Covern war auch nicht so grade der Reißer. Ich finde sie sollte wieder mehr brüllen, zartes Ding, was sie ist. Ihr Blog ist übrigens lustig, eigen und ehrlich, und im Gegensatz zu dem von Annie Lennox auch vermutlich selbstgeschrieben.

Was mir jetzt noch zu meinem Glück fehlt, ist ein schönes neues Album von Cyndi. Das wär noch was.

Fällt mir grade auf, daß alle (außer natürlich Kate, deren "Rocket Man übrigens kürzlich in GB zum besten Cover überhaupt gewählt wurde, wobei ich eigentlich Placebos Kate-Bush-Cover "Running up that Hill" das allerallerbeste finde) ein Album mit Coverversionen rausgebracht haben, die sehr unterschiedlich ausgefallen sind - Cyndi erweckt auf "At Last" so manches vermeintlich totgehörte Lied zu komplett neuem Leben, Annie schafft es auf "Medusa" bei einigen Songs, sie dem Besitzer so richtig aus den Klauen zu reißen, und Alison singt auf "Voice" klassische Songs eher bieder nach, was nur wegen ihrer stimme hörenswert ist.
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